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Gasimporte in die EU: Russland überholt USA wieder. Schiebt die Ukraine bald den Riegel vor?
Nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine verlor Russland seine Stellung als wichtigster Gaslieferant für die Europäische Union (EU). Inzwischen hat das Land wieder an Bedeutung gewonnen. Doch Ende Dezember dürfte sich das ändern.
Russisches Comeback sorgt für Kritik
Wie die „Welt“ berichtet, nimmt Russland wieder eine bedeutendere Rolle als Gaslieferant für die EU ein. Als Quelle für den Bericht dienen Daten einer Beratungsfirma aus Brüssel. Während die USA im zweiten Quartal dieses Jahres 12,27 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Europa lieferten, wurden sie von Russland mit 12,73 Milliarden Kubikmetern Erdgas übertroffen. Damit ist Russland nach Norwegen wieder der zweitgrößte Versorger für die europäischen Staaten.
Das russische Gas wird auf drei verschiedenen Wegen importiert. Einer davon ist die Schwarzmeer-Pipeline „Turkstream“. Hinzu kommt der Ukraine-Transit, über den 4,1 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa befördert wurden. Tankerladungen ergänzen die Lieferungen. Das ruft Kritiker auf den Plan, zu denen unter anderem der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen gehört. Er sprach gegenüber der „Welt“ von einem „Skandal“, dass Russland wieder Großexporteur von Gas nach Europa werde und die EU dabei zusehe. Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, fordert eine „wirksame europäische Strategie“ von Ursula von der Leyen, um russische Gasimporte zu reduzieren.
Transitvertrag endet – wie soll es weitergehen?
Die Lieferungen über die Ukraine stehen offenbar vor einem baldigen Aus. Ende 2019 hatten ukrainische Unternehmen einen Vertrag mit dem russischen Gazprom-Konzern geschlossen. Dieses für fünf Jahre geltende Abkommen läuft am 31. Dezember 2024 aus. Vor wenigen Tagen kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an: „Es ist vorbei.“ Damit meint er, dass das Transitabkommen nicht mehr verlängert werden soll.
Das wiederum sorgt für Kritik aus Russland. So erklärte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: „Eine solche Entscheidung der Ukraine wird den Interessen der europäischen Verbraucher, die weiterhin russisches Gas kaufen wollen, ernsthaft schaden.“ Er prognostiziert, dass dies zu Preiserhöhungen bei Gas führen werde und die Industrie der europäischen Länder „weniger wettbewerbsfähig machen“ werde.
Welche Konsequenzen hat das für europäische Länder, die derzeit noch auf die Lieferungen aus Russland angewiesen sind? Österreich ist beispielsweise einer der Großabnehmer, zeigt sich jedoch darauf vorbereitet, dass die Lieferungen zum 31. Dezember dieses Jahres enden. Gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ (FR) erklärte das Klimaschutzministerium Österreichs, dass eine Versorgung ohne russisches Gas „bereits jetzt mit der bestehenden Infrastruktur und Importen aus Deutschland und Italien möglich“ sei.
Insgesamt ist Europa jedoch uneinig, ob auch in Zukunft russisches Gas bezogen werden soll oder nicht. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) brachte in jedem Fall die Erkenntnis hervor, dass es der EU langfristig gelingen könne, ohne Gas aus Russland auszukommen – selbst dann, wenn die Nachfrage weiterhin hoch bleibe.