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Gas könnte weiter über russische Pipeline kommen – EU in Verhandlungen
Ende dieses Jahres sollte eigentlich Schluss sein: Dann läuft der Transitvertrag zwischen der Ukraine und dem russischen Konzern „Gazprom“ aus. In der Konsequenz würde kein russisches Gas mehr nach Europa gelangen – doch die Europäische Union (EU) setzt sich für einen neuen Lösungsansatz ein.
Vertragsende im Dezember, Zukunft noch offen
Russisches Gas fließt über eine Pipeline durch die Ukraine nach Europa. Die Grundlage dafür ist ein Transitvertrag, den der russische Konzern „Gazprom“ und die Ukraine geschlossen haben. Am 31. Dezember endet dieser Vertrag. Bislang sah es aufgrund des kriegerischen Konflikts zwischen beiden Ländern nicht nach einem Fortbestehen aus.
Wäre es nach der Ukraine gegangen, hätten die Gaslieferungen aus Russland sogar schon früher geendet. Da allerdings mehrere Länder in Europa nach wie vor auf dieses Gas angewiesen sind, hält sie am Vertrag fest. Wie das „Handelsblatt“ berichtet und sich auf „Bloomberg“ beruft, setzt sich die EU dafür ein, dass auch im kommenden Jahr weiterhin Gas durch die Pipeline transportiert wird.
Blick richtet sich nach Aserbaidschan
Die EU hat verschiedene Sanktionen gegen Russland erhoben – so zum Beispiel ein Einfuhrverbot für russisches Erdöl. Für Gas besteht jedoch keine Regelung dieser Art. Russisches Gas gelangt über zwei Wege nach Europa. Zum einen ist dafür die Gaspipeline „Turkstream“ vorgesehen, die aus dem Süden durch das Schwarze Meer in die Türkei verläuft, von wo schließlich mehrere Balkanländer beliefert werden können. Zum anderen gibt es die Pipeline „Transgas“, die durch die Ukraine, die Slowakei und Tschechien nach Österreich und Deutschland führt.
Das „Handelsblatt“ nennt Zahlen des Finanzdienstleisters „S&P Global“, laut denen in den ersten 10 Monaten des vergangenen Jahres 12 Milliarden Kubikmeter an russischem Gas den Weg über die Ukraine nach Europa fanden. Das scheint zwar eine erhebliche Menge zu sein, doch theoretisch ist die Versorgungssicherheit in Europa nicht gefährdet, wenn diese Lieferungen enden würden. Dennoch könnte es einige EU-Mitgliedsstaaten in Schwierigkeiten bringen. So deckt etwa Österreich seinen Gasbedarf überwiegend über russisches Gas – im April lag der Anteil bei 81 Prozent.
Zudem hat das teilstaatliche österreichische Energieunternehmen OMV einen Liefervertrag mit Gazprom geschlossen, der bis 2040 gilt. Doch nicht nur der direkte Nachbarstaat Deutschlands ist stark von Russland abhängig – auch auf Ungarn und Slowenien trifft das zu. Wie „Bloomberg“ meldet, haben EU-Vertreter aus Wirtschaft und Politik die Initiative ergriffen. Sie sprechen mit der ukrainischen Seite darüber, inwieweit Gas in Aserbaidschan gekauft und über die Pipelines nach Europa geliefert werden könnte. Allerdings seien die Gespräche noch nicht sehr weit fortgeschritten und mit einer Entscheidung lasse sich erst gegen Ende des Jahres rechnen.
Russland zieht an den USA vorbei
Im vergangenen Monat war der slowakische Ministerpräsident Robert Fico nach Aserbaidschan gereist. Sein Plan: Die Slowakei könnte als Abnehmer fungieren, sofern alle Beteiligten Einigung erzielen. Ein Teil des Gases würde dann im Land bleiben und ein anderer Teil ließe sich an andere Länder weiterleiten.
Die EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte noch im Februar verkündet, dass seitens der EU kein Interesse daran bestehe, das Transitabkommen zu verlängern. Für Länder, die noch Gas über die Ukraine geliefert bekommen, seien „alternative Lösungen“ vorhanden. Dass nun doch Gespräche über eine Verlängerung stattfinden, könnte laut „Handelsblatt“ auch daran liegen, dass die Ukraine vom Gastransport profitiert. Im Jahr 2021 betrugen die Transiteinnahmen rund 1,2 Milliarden US-Dollar.
Eine andere aktuelle Meldung besagt, dass Russland wieder mehr Gas nach Europa liefert als die USA. Damit belegt Russland den zweiten Rang hinter Norwegen als wichtigsten Versorger, wie in der „Financial Times“ zu lesen ist. Dennoch sind die Importe deutlich zurückgegangen: Vor dem Beginn des Ukraine-Konflikts lag der russische Anteil bei etwa 50 Prozent, aktuell sind es 15 Prozent.