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EU plant Lockerung der Gasspeicherpflicht: Kurswechsel in der Energiepolitik?
Die EU-Kommission prüft erwägt derzeit, die strengen Vorgaben für die Füllstände der Gasspeicher zu lockern. Schon ab diesem Jahr könnten niedrigere Werte ausreichen. Das hätte Auswirkungen auf die europäische Energiepolitik und den Gasmarkt. Kommt es nun zu einem Kurswechsel, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen?
Entwicklung der Speicherstände
Seit Anfang Februar zeigt der Gaspreis an der niederländischen Börse wieder eine klare Abwärtsbewegung. Betrug er zu Beginn des Monats noch 58 Euro pro Megawattstunde, ist er inzwischen auf rund 48 Euro gefallen. Diese Entwicklung gilt als Indiz, dass die Gasversorgung Europas im Winter ausreichend stabil war und es keine gravierenden Engpässe gab.
Trotz dieses positiven Trends sind die Gasspeicherstände im Vergleich zu den Vorjahren noch immer unterdurchschnittlich. Mitte Februar waren die Speicher lediglich zu 43 Prozent gefüllt – deutlich unter dem saisonalen Durchschnittswert der letzten 5 Jahre, der sich bei 53 Prozent einpendelt. Gründe dafür sind zum einen die niedrigen Temperaturen in Europa in den vergangenen Wochen und zum anderen die schwache Windkraftproduktion. Dementsprechend sind weniger Vorräte vorhanden als eigentlich üblich.
Mehr Flexibilität beim Auffüllen der Speicher
Die EU-Kommission möchte auf die sich ändernden Marktbedingungen reagieren und plant, die bislang starren Speicherziele zu lockern. Vorgesehen ist ein flexibles System. Das Konzept ist im „Clean Industrial Deal“ festgehalten. Das Ziel besteht darin, das Auffüllen der Speicher koordinierter, aber auch dynamischer zu ermöglichen. Bislang müssen die Füllstände zu bestimmten Stichtagen feste Prozentwerte erreichen. Diese Vorgaben sollen sich nach Plänen der Kommission in Zukunft je nach Situation anpassen lassen.
So könnte auf die jeweils aktuelle Marktlage und die Verfügbarkeit von Gas reagiert werden. Von dieser Änderung erhoffen sich die Verantwortlichen, dass der Druck auf den Markt verringert und die Systembelastung bei der Gasspeicherung gemindert werden kann. Der Entwurf der Kommission beinhaltet noch keine Zahlen. Es bleibt daher noch offen, inwieweit diese Flexibilisierung die Versorgungssicherheit auf lange Sicht wirklich verbessert. Kritische Stimmen, über die unter anderem „Telepolis“ berichtet, sehen ein Aufweichen der Vorgaben als riskant an – vor allem, wenn es zu unvorhersehbaren Engpässen kommt.
Chancen und Risiken einer neuen Speicherpolitik
Eine Wette auf mildere Winter – so ließe sich das Absenken der bestehenden Speicherziele auch interpretieren. Kritiker warnen, dass ein strenger Winter leicht dazu führen könnte, dass die Speicher schneller als erwartet entleert sind. Das würde Europa vor vergleichbare Herausforderungen stellen wie in der aktuellen Heizperiode.
Besonders eng könnte es werden, wenn die Speicher nicht ausreichend aufgefüllt sind und sich zusätzlich auf dem Markt für Flüssiggas (LNG) Engpässe ergeben. Zudem könnten die begrenzte Anzahl an LNG-Terminals und die weltweit steigende Nachfrage nach LNG die Versorgungssicherheit zusätzlich gefährden. Entwarnung gibt es jedoch unter anderem vom französischen Unternehmen „Engie“. Laut den Verantwortlichen sind die Speicher ausreichend gefüllt, solange sie einen Stand von 80 Prozent aufweisen. Damit sei es unproblematisch, in eine Heizperiode zu gehen.
Das Senken der Füllstandziele könnte wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Weniger Druck beim Wiederauffüllen der Speicher würde den Gaspreis weiter stabilisieren und die Kaufanreize für Händler verbessern, die Gas zu günstigeren Preisen einkaufen, um es später wieder zu verkaufen. Neue Speicherregeln sind einerseits als Chance zu sehen, sie bergen andererseits aber auch Risiken, die sich noch nicht vollständig absehen lassen.